Beim 20. bundesweiten Birdrace im Frühjahr 2023 war mit den „Seenland-Spökern“ auch ein Team im Seenland Oder-Spree unterwegs. Mit einem der drei leidenschaftlichen Ornithologen, Kai Pagenkopf, haben wir gesprochen, um dir das Vogelbeobachten in der kalten Jahreszeit noch interessanter zu machen.
Warum sind der Herbst und Winter eine der besten Jahreszeiten für das Birdwatching?
Der Herbst ist eine hervorragende Zeit zur Beobachtung von Zugvögeln. Schwalben und Stare sammeln sich und bilden teils beeindruckend große Trupps, bevor sie in ihre südlichen Winterquartiere ziehen. Zu ihnen gesellen sich Vögel aus nördlichen Bereichen, die jetzt über das Seenland gen Süden ziehen. Insbesondere Greifvögel wie Wespenbussard oder Rot- und Schwarzmilan kann man bei schönem Wetter am Himmel kreisen sehen.
Im Herbst erreichen uns auch viele nördliche Zugvögel, die den ganzen Winter im Seenland verbringen. Kraniche aus Skandinavien ziehen zum Teil weiter in den Süden, aber nicht wenige bleiben hier und sind auf den Äckern oft aus der Nähe zu sehen. Nordische Gänse und Schwäne gesellen sich zu ihnen. Auf den Seen sammeln sich große Trupps von Enten und Bläßhühnern. Hunderte oder gar tausende Vögel schwimmen dann gemeinsam auf dem Scharmützelsee oder auf den Groß Schauener Seen. Ein echtes Spektakel für alle Naturliebhaber!
Welche Arten kann man nur im Herbst und Winter im Seenland beobachten?
In fast allen Lebensräumen finden wir nun Arten, die in nördlichen Gefilden brüten und das Seenland zum Überwintern nutzen. Kraniche, Singschwäne sowie Bläß- und Graugänse bevölkern das Offenland, auf den Seen sind Gänsesäger und Schellenten attraktive Arten, die sich von den Uferpromenaden toll beobachten lassen. Es lohnt aber auch ein Blick in den Himmel, denn bei gutem Wetter hat man gute Chancen auf Raufußbussarde, die uns nur im Winter aus Skandinavien besuchen.
Wo geht man zur Beobachtung am besten hin?
Eigentlich kann man im Winter überall Vögel beobachten. Das fängt schon am heimischen Futterhäuschen an. Buch- und Grünfinken, Zeisige und Kernbeißer, Kleiber, Buntspechte und viele Meisenarten kommen dann regelmäßig in die Gärten. Echte Highlight-Gebiete sind aber die Seen. Sie alle sind ein Eldorado für Enten und Taucher. Übrigens lohnt sich im Winter auch ein Waldspaziergang. Wenn die Bäume unbelaubt sind, lassen sich die kleinen Singvögel viel besser beobachten als im Sommer. Zudem beginnen viele Waldvögel schon früh im Jahr mit dem Brutgeschäft. Schwarz- und Buntspecht, Kleiber, Baumläufer und Meisen sind dann besonders aktiv und machen durch ihre Rufe und Gesänge auf sich aufmerksam.
Warum bietet die App Ornitho so großes Potenzial für Vogelbegeisterte?
Ornitho (www.ornitho.de) ist eine sogenannte „citizen-science-Plattform“. Jeder, der sich bei Ornitho angemeldet hat, kann seine Vogelbeobachtungen ganz einfach melden und natürlich auch sehen, was andere Leute beobachtet haben. So kann man schon von zu Hause aus seine nächste Beobachtungsrunde planen und z. B. sehen, an welchen Seen gerade viele Enten unterwegs sind. Wer mag, kann sich auch die App „NaturaList“ runterladen. Damit kann man die eigenen Beobachtungen direkt im Gelände auf einer Karte eintragen. Auf Knopfdruck lassen sich auch alle Arten anzeigen, die in der unmittelbaren Umgebung gesehen worden sind. Das geht an einigen Stellen im Seenland auch ohne App : An den Hotspots findet man QR-Codes, die man scannt und dann eine Beobachtungsliste angezeigt bekommt.
Was ist das Birdrace ? Wie waren eure Erfahrungen im letzten Jahr ? Geht ihr nächstes Jahr wieder als Seenland- Team an den Start?
Das Birdrace ist eine bundesweite Veranstaltung, die jedes Jahr am ersten Samstag im Mai stattfindet. In ganz Deutschland finden sich Teams zusammen, die 24 Stunden Zeit haben, so viele Vogelarten wie möglich zu sehen. Wir waren in diesem Jahr mit dem Team „Seenland-Spöker“ am Start. Das Wetter war gruselig schlecht, aber das hält begeisterte Beobachter natürlich nicht ab … Mit 103 Vogelarten ist eine schöne lange Liste zustande gekommen. Aber ist ja nicht nur die Anzahl der Arten, noch wichtiger ist der Spaß an der „Artenjagd“. Langeweile kommt da keine Sekunde auf ! Unvergesslich für uns waren die vielen Spechte, die frühmorgendliche Waldschnepfe, der auch im Seenland sehr seltene Raubwürger und der Waldkauz, der kurz vor Mitternacht direkt an unserer Unterkunft rief und als letzte Art auf die Liste gesetzt werden konnte.
Wie sollte man sich beim Birdwatching verhalten?
Regel Nummer 1: Die Vögel nicht stören ! Wenn Gänse oder Schwäne aufgescheucht werden, verbrauchen sie bei der Flucht viel Energie, die sie sich später wieder mühsam anfuttern müssen. Vor allem sollte man sich brütenden Vögeln nicht nähern. Wenn man zufällig ein Nest oder eine Bruthöhle findet, entfernt man sich umgehend, um die Aufzucht der Jungen nicht zu stören. Mit einem Fernglas gelingen tolle Beobachtungen auch aus der Entfernung und man sieht die Vögel, wie sie sich ungestört verhalten.
Was sind deine Must-Haves beim Birdwatching? Was hast du immer dabei?
Ohne Fernglas gehe ich nicht aus dem Haus ! Irgendwas fliegt ja immer, und so manche spannende Beobachtung ergibt sich ganz unerwartet. Bei einer „richtigen“ Vogelexkursion darf auch ein Spektiv – ein großes Fernrohr mit Stativ – nicht fehlen, weil man damit die Vögel über große Distanzen gut sehen und bestimmen kann. Das muss aber für den alltäglichen Ausflug nicht jeder dabeihaben.
Wichtig ist noch ein gutes Bestimmungsbuch. Mittlerweile gibt es die auch fürs Smartphone als App, sodass man sich das Mitschleppen eines schweren Buches sparen kann. Das Smartphone bietet auch noch andere Vorteile: Wenn man die Gesänge der Vögel nicht kennt, kann man Vogelstimmen zum Vergleich abhören oder eine App wie „Birdnet“ einsetzen, die gleich die Bestimmung per Gesang übernimmt.
Wie beeinflusst das Wetter das Vogelverhalten?
Grundsätzlich sind viele Vogelarten bei gutem Wetter aktiver oder einfach besser zu sehen. Besonders auffällig ist das bei den großen Greifvögeln. Bussarde und Seeadler nutzen dann die Thermik und schrauben sich in den Himmel. Sie lassen sich dabei hervorragend beobachten. Schwäne, Gänse und Kraniche sind weniger wählerisch ; auch bei trübem Wetter findet man sie auf den Äckern des Seenlandes.
Macht sich der Klimawandel im Verhalten der Tiere bemerkbar?
Ja, man merkt die Auswirkungen des Klimawandels schon deutlich. Viele Zugvögel kommen früher aus ihren Winterquartieren zurück, von manchen Arten ziehen viele Individuen gar nicht mehr und bleiben neuerdings den ganzen Winter im Seenland. Viele Kraniche und sogar einige Weißstörche machen sich nicht mehr die Mühe, in den Süden zu ziehen. Aber auch Singvögel wie Zilpzalpe oder Mönchsgrasmücken tauchen im Winter immer wieder in den Gärten auf.